Info-Quicky
- Pico Ruivo (1862 m) – Pico do Jorge (1577 m) – Pico da Encumeada (1284 m) – Encumeada-Pass (1007 m)
- Abstieg über Kammweg mit ambitionierter Streckenführung
- kein Wasser auf der Strecke
- mentale Stärke und Teamwork
- Grubenlampe sei Dank nicht im Dunkel tappen
Vorweg zu dieser 3. Etappe
Wie im Blogbeitrag zur Vorbereitung dieser Backpacking-Tour erwähnt, haben wir den Rother Wanderführer als Planungsgrundlage genommen. Besonders bei dieser dritten Etappe zeigte sich jedoch die inhaltliche Schwäche dieses Wanderführers.
Erfahrungen auf der Tour Pico Ruivo zu Chão dos Louros
Halb ausgeschlafen lichteten wir den Reißverschluss des Zeltes: Meine Güte waren hier schon viele Menschen am Berg unterwegs! Abenteuerlustige und romantisch veranlagte Wanderer zieht es tatsächlich extrem früh in die Spur vom Pico do Arieiro zum höchsten Berg Madeiras um den Sonnenaufgang zu sehen. Nach einem kurzen Frühstück packten wir die Sachen zusammen – Tag 3 konnte beginnen!

Mit vielen anderen Mitwanderern schlängelten wir uns gegen 10.45 Uhr den Pfad zum Berggipfel des Pico Ruivo hoch. Von der Casa de Abrigo zum Gipfel sind es ca. 87 Höhenmeter. Nach kleinen Stopps erreicht wir nach ungefähr 25 Minuten den höchsten Punkt der Blumeninsel – Gipfelstürmer! Der 360° – Rundumblick war die richtige Belohnung.
Wege, die wir entlang der mächtigen Erhebungen gelaufen sind, konnten wir stolz in der Luft nachzeichnen, tiefen Schluchten nochmal ehrfürchtig zuwinken. Die Hände in die Seite stemmend und fröhlich lächelnd, genossen wir die Höhenluft.

Die Hölle auf Madeira für Backpacker – der Abstieg
Es ist dringend zu empfehlen, nochmal zur Casa zu gehen um die Wasservorräte aufzufüllen. Danach haben wir die Abzweigung Richtung Curral das Freiras genommen. Viele laufen vom Pico Ruivo in das Nonnental, wir wählten aber den Kammweg für die Inselüberquerung. Dies ist ein sehr bergreicher Wanderweg:
Ein langer Abstieg (Wegbezeichnung PR 1.3), der neben dem Pico do Coelho (1731 m), unterhalb des Pico das Eirinhas (1648 m), neben dem Pico Casado (1725 m), über den Pico do Jorge (1577 m), vorbei an den Pico Ferreiro (1587 m) und Pico da Cabra (1575 m), über den Pico da Encumeada (1284 m) und haarscharf an dem Pico Topeiro (1267 m) vorbei zum Encumeada-Pass führt.
Der Zustand der Wanderwege
Die Wege waren größtenteils sehr steil, schlängelten sich mal gepflastert oder natürlich ausgetreten weiter bergab. Viele Wege verliefen auch einen großen Teil geradeaus, wenn man beispielsweise um einen Berg wanderte. Auch gab es an einigen Stellen Treppen bergauf und -ab mit sehr großen Stufen, die bei Nässe rutschig waren. Drahtseile zur Sicherung gab es nicht immer.
Stets dabei auf allen Wegen– die volle Breitseite der Natur! Viele Pflanzen wuchsen quer in die Wege, allen voran die bekannten blauen Natternköpfe und der gelbe Ginster. Relativ schnell stellten sich die Beschreibungen aus dem Wanderführer als viel zu ungenau heraus. Beschriebenen Orte waren schwer wieder zu finden, Wege waren in schlechterer Verfassung als beschrieben.

Mit gegenseitiger Rücksichtnahme unter Wanderern war es schaffbar, die schmalen Aufstiege und Wege zu bewältigen. Je weiter wir liefen, umso weniger Menschen kamen uns entgegen. Die gleiche Strecke wie wir lief aber tatsächlich niemand.
Der letzte Teil der Strecke mit Durchbrechen der Wolkengrenze (bei uns nach ca. 19 Uhr) verlief weiter steil bergab. Irgendwann ragte ein Sendemast aus den Wolken, der die letzten mentalen Reserven mobilisierte. Es dauerte allerdings noch ein paar Stündchen, bis die Zivilisation erreicht war: ein langer Abstieg mittels unfassbar großen, langen und teilweise kaputten Stufen wies den Weg weiter Richtung Encumeada-Pass. Dieser Pfad war nur teilweise gesichert.
Mit dem vollkommenen Eintauchen in die Wolken, kam ein Wetterumschwung – Nebel, Sprühregen und Kälte empfingen uns. Irgendwann erreichten wir endlich den Encumeada-Pass. 855 m Abstieg waren geschafft!

Wie sieht es mit Wasser auf der Tour aus?
Schlecht, um nicht zu sagen – sehr schlecht. Wir mussten uns das Wasser an diesem warmen Tag einteilen, da wir nicht wussten, wann es Nachschub geben würde. Man muss extrem lange zu einer Quelle laufen – bis kurz vor bzw. innerhalb der Wolkengrenze. Da ist der Großteil der Strecke schon zurück gelegt. Als wir endlich an dieser einzigen Quelle ankamen, hatten wir nur noch 100 ml Wasser von ursprünglich 5 Litern im Gepäck. In Zeiten von Konsum an jeder Ecke und ständiger Verfügbarkeit von Ressourcen ist es ein unvorstellbares Gefühl von Glückseligkeit und Erleichterung, Wasser in der Natur zum richtigen Moment zu finden.

Encumeada-Pass zum Trekkingplatz Chão dos Louros
Unser Abstiegsprogramm war nach dem Erreichen des Encumeada-Pass noch nicht beendet: Wir brauchten noch unseren Übernachtungsplatz.
Durch den Nebel und sich langsam ankündigende Dunkelheit auf der Insel, gingen wir die Passstraße mit Grubenlampe auf dem Kopf bergab, Richtung São Vicente. Irgendwo würde der Trekkingplatz Chão dos Louros schon in der Dunkelheit auftauchen. Nach vielen Serpentinen und keinem Auto auf der Straße sowie der Aussicht, dass wir uns anscheinend verlaufen hatten, wollten wir uns ein Taxi rufen – im Nirgendwo leider vergebens.
Ein paar Serpentinen weiter entdeckten wir glücklicherweise doch noch unseren gesuchten Trekkingplatz. Überglücklich bauten wir im auf dem dunklen Platz unser Zelt auf. Bei Nüssen, Nudelsuppe und Eisbein aus der Dose saßen wir dann hoch zufrieden in der Dunkelheit. Der Adrenalinspiegel war noch viel zu hoch um einfach in den Schlafsack zu schlüpfen.
Kommentar zu dieser besonderen Etappe:
Die Naturgewalten von Madeira sind auf dieser Etappe besonders zu spüren. Die Natur bleibt atemberaubend und gemein zugleich. Es ist ein stetes Auf und Ab auf schmalen, zugewachsenen Wegen, in sehr unterschiedlichen Zuständen. Wir trafen auf dieser Strecke kaum Menschen, sodass es empfehlenswert ist, diese Tour niemals alleine zu unternehmen. Ebenfalls ist es ratsam, diesen Streckenabschnitt nicht mit großem Gepäck zu wandern, wie wir es gemacht haben. Es ist einfach viel zu gefährlich. Diese Einschätzung teilten ebenfalls andere Wanderer, die mitleidig und skeptisch auf uns und unser Gepäck schauten. Wir sind dankbar für unseren Körper und Geist, der das tapfer mitgemacht hat.
Letztendlich ist es natürlich jedem individuell überlassen, was er unternimmt und sich zumutet. Auch wir suchen uns gerne Abenteuer, da diese einfach viel zu viel Spaß machen und wichtige Erfahrungen bringen. Dennoch war uns auf dieser Strecke teilweise wirklich mulmig zumute, sodass wir für diesen herausfordernden Kammweg und seine Beschaffenheit sensibilisieren möchte.